Bruce Odland, Sam Auinger
Motet R
05. August 1999 - 05. September 1999
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‘Motet R’ ist eine mehrstimmige antiphonale Vokalkomposition aus gefilterten und gestalteten Stadtstimmen von Berlin-Mitte.
Seit 1987 beschäftigen sich die beiden Komponisten, Musiker und Sounddesigner Bruce Odland + Sam Auinger in ihren Gemeinschaftsarbeiten (O + A) mit der Umwandlung von alltäglichen Klangmaterialien in komplexe harmonische Strukturen. Dabei verwenden sie ausschließlich musikalisches Material aus der konkreten akustischen Situation vor Ort. Die Transformation des Ausgangsmaterials erfolgt über die Verwendung von verschieden langen Resonanzrohren, sog. ‘tuning tubes’, in denen Mikrophone plaziert sind. Die Modifizierung und Gestaltung des Klangs erfolgt v.a. über Größe und Durchmesser der Resonatoren und die Position der Mikrophone in den Rohren. Mit Hilfe dieser Techniken gestalten O + A aus dem Ausgangsmaterial, z.B. Verkehrslärm, vorhandene harmonische Spektren, indem bestimme Obertöne aus den Obertonspektren der Resonatoren verstärkt bzw. herausgefiltert werden. Charakteristisch für Ihre Installationen ist dabei vor allem, daß jede subtile Veränderung der ursprünglichen akustischen Situation umgekehrt sofort ein neues Klangbild innerhalb der Installation bewirkt. Die sehr genau ausgehörten harmonischen Klangstrukturen erzeugen im Zusammenklang mit den resonanzauslösenden Geräuschklängen eine ganz eigene Aura.
Die beiden Künstler suchen sich für ihre Projekte meist Orte, an denen man solche Hörerfahrungen am wenigsten erwarten würde, Orte, die von Lärm, Krach, undifferenziertem Verkehrsrauschen o. ä. beherrscht werden. Ein Beispiel dafür ist die Dauerinstallation ‘Harmonic Bridge’ für das MASS MoCa-Museum in North Adams (Massachussetts, USA), in der ein harmonisches Klangspektrum aus den Verkehrsgeräuschen auf einer Autobahnbrücke herausgefiltert wird und über speziell von O + A entwickelte ‘cube’-Betonlautsprecher unter derselben Brücke zu hören ist.
Für die Klanginstallation ‘Motet R’ im Kirchenschiff der Parochialkirche transformieren O + A in Echtzeit die chaotischen Großstadtklänge im Außenraum in räumlich-harmonische Strukturen im Innenraum. Das Klangmaterial für die antiphonale Resonanzinstallation liefern hier zwei in der unmittelbaren Umgebung der Kirche in Berlin-Mitte installierte ‘tuning tubes’ (Resonanzrohre) mit Spezialmikrophonen. Vor allem die Geräuschklänge der beiden die Parochialkirche umfließenden Hauptstraßen (Grunerstraße und Stralauer Straße) und der von S-Bahn und Eisenbahn frequentierten Hochbahnstrecke zwischen Alexanderplatz und Jannowitzbrücke werden verarbeitet. Im Kirchenschiff ist ein Lautsprechersystem installiert, das die transformierten Klänge in den Raum überträgt. Dabei wird ein auf die spezifische Architektur und Akustik der Parochialkirche abgestimmtes Klangsteuerungssystem eingesetzt, welches die Hörperspektiven im Innenraum ständig verändert.
Die ‘singuhr - hoergalerie in parochial’ wird unterstützt durch die Ev. Georgen-Parochial-gemeinde, INITIATIVE NEUE MUSIK Berlin e. V., Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur, austro mechana (SKE), Österreichische Botschaft (Außenstelle Berlin), Elektronisches Studio der TU Berlin.
Besonderer Dank an ContribNet, Siemens AG Berlin, triple aaa, cyan.